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cmd:cmd

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cmd:cmd [27/06/2009 18:46]
schoettl angelegt
cmd:cmd [07/11/2019 10:58]
rws [Segmentale Bedeutung]
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-Die Cranio-Mandibuläre Dysfunktion (CMD)+====== ​Die Cranio-Mandibuläre Dysfunktion (CMD) ====== 
 +===== Wortbedeutung =====
  
-Die Wortsilbe "​Dys"​ aus dem Griechischen bedeutet "​schlecht"​. Die CMD beschreibt daher die schlechte Funktion zwischen dem Kranium (Schädel) und der Mandibula (Unterkiefer). Da die Vorstellung ​über die Funktion in diesem Bereich einem starken Wandel ausgesetzt ​ist, wird auch die Dysfunktion uneinheitlich ​definiert.+Die Wortsilbe "//Dys//" aus dem Griechischen bedeutet "​schlecht"​. Die CMD beschreibt daher die schlechte Funktion zwischen dem Kranium (Schädel) und der Mandibula (Unterkiefer). Da die Vorstellungen ​über die Funktion in diesem Bereich einem starken Wandel ausgesetzt ​waren (und es heute noch sind), wird auch die Dysfunktion ​hier sehr uneinheitlich ​verstanden.
  
-In der Gnathologie ​war das Funktionsverständnis von Bewegungsabläufen in den Kiefergelenken geprägt, insbesondere von der Vorstellung einer die Gelenkkondylen verbindenden Scharnierachse. Diese terminale Scharnierachse wurde erst bestimmbar, wenn man eine Translation der Kiefergelenke,​ gewöhnlich durch Manipulation des Unterkiefers durch den Behandler nach retral, unterband. ​+===== Bedeutung in der Gnathologie ​=====
  
-Als zentrische Bewegungen wurden vertikale Bewegungen verstandenwelche um diese Scharnierachse ​als Mittelpunkt abliefenalso ohne Translation der Kiefergelenke. Eine Bisslage wurde dann als korrekt eingestuftwenn durch eine zentrische Bewegung ohne Deflektion ​die maximale Interkuspidation der Zähne erreicht werden konnte. Eine Deflektion aus der zentrischen Bewegung in eine "​exzentrische"​ Position ​durch die Okklusion wurde als Dysfunktion bezeichnet, bzw. als Grund für die Dysfunktion angenommen.+In der Gnathologie war das Funktionsverständnis durch Bewegungsabläufe in den Kiefergelenken geprägtinsbesondere von der Vorstellung einer die Gelenkkondylen verbindenden ​Scharnierachse. Diese terminale Scharnierachse wurde erst bestimmbarwenn man eine Translation der Kiefergelenke ​unterbandgewöhnlich ​durch die Manipulation des Unterkiefers ​durch den Behandler nach retral
  
-Noch heute wird die CMD häufig anhand der Biomechanik ​der Kiefergelenke, bzwder dort auftretenden Symptome definiert. Jedoch sind die ursprünglichen Prämissen ​der Gnathologie ​schon seit Längerem nicht mehr vereinbar mit jüngeren Ergebnissen der Grundlagenforschung. Auch gilt die retrale Kontaktposition (RKP)also die Position, die mit der Vorstellung einer zentrischen Bewegung ​überein stimmtbei den meisten Behandlern nicht mehr als erstrebenswerte Bisslage.+Als zentrische Bewegungen wurden vertikale Bewegungen verstanden, welche um diese Scharnierachse als Mittelpunkt abliefen, also ohne Translation ​der Kiefergelenke. ​Eine Bisslage wurde in der Gnathologie ​ursprünglich dann als korrekt eingestuftwenn durch eine zentrische Bewegung ohne Deflektion ​die maximale Interkuspidation der Zähne erreicht werden konnte. Eine Deflektion aus der zentrischen Bewegung ​in eine "​exzentrische"​ Position durch die Okklusion wurde als Dysfunktion bezeichnetbzw. als Grund für eine Dysfunktion postuliert. 
 +===== Bedeutung heute =====
  
-Unter diesen Voraussetzungen ist es wenig verwunderlichwenn Studien keine Evidenzbasierung für die ursprünglichen ​Vorgehensweisen ​der Gnathologie ​etablieren konnten, und auch zu keinen geordneten Erkenntnissen im Bezug führtenBesonders Interpretationenwie die, dass die Okklusion oder Stellung der Zähne wohl so gut nicht mit der CMD korreliere, führten zu einer gewissen Entfremdung zwischen Wissenschaft und Lehre auf der einenund Praktikern und Betroffenen auf der anderen Seite.+Noch heute wird die CMD häufig anhand der Biomechanik der Kiefergelenkebzw. der dort auftretenden Symptome definiert. Jedoch sind die ursprünglichen ​Prämissen ​der Gnathologie ​schon seit Längerem nicht mehr mit den Ergebnissen der Grundlagenforschung vereinbarAuch gilt die retrale Kontaktposition (RKP)also die Position, die mit der Vorstellung ​einer zentrischen Bewegung überein stimmtbei den meisten Zahnärzten aufgrund negativer Erfahrungen nicht mehr als erstrebenswerte Bisslage.
  
-In der neuromuskulären Sichtweise wird Funktion ​und Dysfunktion völlig anders verstandenIm Mittelpunkt steht die Notwendigkeit, die harten und komplexen Kontouren ​der Okklusalfläche möglichst unkompliziert in einen Kraftschluss ​mit der eines jeden Antagonisten zu fügen. Da die Zahnbögen sich während des Wachstumsdurch Zahnverschiebung,​ etc., beträchtlich verformen, ist die Vorstellung ​einer fixen Scharnierachse nicht realistisch. Vielmehr muss das System redundant reguliert seinum seiner physiologischen Aufgabenstellung ​auch unter widrigen Umständen gewachsen zu sein.+Unter diesen Voraussetzungen ist es wenig verwunderlich,​ wenn Studien keine Evidenzbasierung für die ursprünglichen Vorgehensweisen ​der Gnathologie etablieren konnten, ​und auch zu keinen geordneten Erkenntnissen führtenBesonders Interpretationen,​ wie die, dass die Okklusion oder Stellung ​der Zähne so gut wie nicht mit der CMD korreliereführten zu einer gewissen Entfremdung zwischen Wissenschaft und Lehre auf der einenund Praktikern und deren klinischem Erfahrungsschatz,​ sowie auch den von der CMD Betroffenen auf der anderen Seite. 
 +===== Neuromuskuläre Definition =====
  
-Nach der neuromuskulären ​Sicht ist daher eine CMD nicht alleine auf Grund der Tatsache gegebendass solche Umstände dem System Kompensationen abfordernErst wenn es durch solche Kompensationen zu Funktionseinbußen kommtalso zu einer schlechten ​(Dys-Funktionist eine CMD gegeben.+In der neuromuskulären ​Sichtweise wird Funktion und Dysfunktion völlig anders verstanden. Im Mittelpunkt steht die Notwendigkeit,​ die harten und komplexen Konturen der Kauflächen möglichst unkompliziert in einen Kraftschluss mit der des jeweiligen Antagonisten zu fügen. Da die Zahnbögen sich während des Wachstums, sowie durch Zahnverschiebung,​ etc., beträchtlich verformen können, ​ist das Postulat einer fixen und unveränderlichen Scharnierachse unlogisch – somit auch das Postulat ​der Konstanz der Kiefergelenke und ihrer Bewegungendas die Begründer der Gnathologie zugrunde gelegt hattenVielmehr muss das System redundant reguliert seinum seiner physiologischen Aufgabenstellung auch unter widrigen Umständen gewachsen ​zu sein. Die Plastizität der Gelenke und Disci ("​Remodelling"​), sowie die mannigfaltige Anpassungsfähigkeit der Kieferstellung durch Tonusveränderungen in der Kaumuskulatur tragen dieser Notwendigkeit Rechnung.
  
-Per Definitionem ​ist daher die CMD ein Geschehen, das unlösbar mit der Cranio-Mandibulären ​Funktion ​verbunden istund die Herstellung eines okklusalen Kraftschlusses ​ist ein wichtiger Bestandteil dieser Funktion.+Nach der neuromuskulären Sicht ist daher eine CMD nicht alleine auf Grund der Tatsache gegeben, dass solche Umstände dem System Kompensationen abfordern. Erst wenn es durch Kompensationen zu Funktionseinbußen kommt, also zu einer schlechten (= "Dys-"​) ​Funktion, ist eine CMD gegeben.
  
-Eine CMD kann segmentintern aufgrund zu großer Anforderungen an die Kompensationsmechanismen des Cranio-Mandibulären Bewegungssystems entstehen. Jedoch können auch segmentübergreifende ​Kompensationen ausgelöst werden, wodurch sich die vielen Symptome auch abseits der Kiefergelenke erklären. Eine segmentübergreifende Kompensation,​ bei der das Cranio-Mandibuläre System zum Ausgleich der Funktion außerhalb dieses Segmentes (z. B. einer HWS-Dysfunktion) herangezogen wird, bedingt nicht unbedingt ​eine CMD, auch wenn es in diesem Bereich zu Symptomen kommen sollte. ​+Per Definitionem ist daher die CMD ein Geschehen, das unlösbar mit der Cranio-Mandibulären Funktion verbunden ist, und die Herstellung des okklusalen Kraftschlusses wiederum ist das wesentlicher Bestandteil dieser Funktion, welches das kraniomandibuläre Bewegungssystem von anderen im Körper unterscheidet. 
 +===== Segmentale Bedeutung ===== 
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 +Eine CMD kann segmentintern aufgrund zu großer Anforderungen an die Kompensationsmechanismen des Cranio-Mandibulären Bewegungssystems entstehen. Jedoch können auch segmentübergreifend ​Kompensationen ausgelöst werden, wodurch sich die vielen Symptome auch abseits der Kiefergelenke erklären. Eine segmentübergreifende Kompensation,​ bei der das Cranio-Mandibuläre System zum Ausgleich der Funktion außerhalb dieses Segmentes (z. B. einer HWS-Dysfunktion) herangezogen wird, bedingt ​jedoch ​nicht notwendigerweise ​eine CMD, auch wenn es in diesem Bereich zu Symptomen kommen sollte. Daher verwirrt es nur, wenn Zustände, wie z. B. psychische Störungen undifferenziert der CMD zugeordnet werden, nur weil dadurch möglicherweise auch Symptome im Bereich der Kiefergelenke hervorgerufen werden, z. B. in Folge von chronischem Zähnepressen,​ etc. Solch unklare Gedankenführungen führen dann zu widersinnigen Schlussfolgerunge,​ wie der, dass die Dysfunktion eines Systems nichts mit dem System selbst zu tun habe (i. e. die CMD nichts mit dem Cranio-Mandibulären System, bzw. der Okklusion). 
 + 
 +Phänomene wie myofasziale Schmerzübertragung oder lokaler Überlastung aufgrund von Dysfunktionen außerhalb des Segmentes sind heute wohlbekannt,​ daher taugt die Lokalität von Symptomen nur wenig als Aus- und Einschlusskriterium ​ für die CMD. Studien, in welchen der Auftrittsort von Symptomen als Einschlusskriterium für die CMD benutzt wurde, anstatt von funktionellen Parametern, welche Kompensationen beim Schlussbiss erkennbar machen, können daher bestenfalls eine geringe Aussagekraft beinhalten.
  
-Aufgrund von bekannten Phänomenen der Schmerzübertragung u. ä. ist die Definition von Aus- und Einschlusskriterien für die CMD, die auf der Lokalit eines Symptoms beruhen, wenig sinnvoll. 
/var/www/k9615-1/htdocs/Dokuwiki/data/pages/cmd/cmd.txt · Zuletzt geändert: 07/11/2019 10:58 von rws